Daoistische Lebenspflege in den Zhong Nan Bergen

Erschienen im Taijiquan & Qigong Journal 1/2013

Die Zhongnan-Berge (终南山) südwestlich von Xi’an (西安) sind ein Hauptzentrum des Daoismus, denn dort befindet sich nicht nur der Ort, an dem Laozi der Legende nach das Daodejing (道德经) konzipierte und weitergab; die Gegend brachte auch die Drachentorlinie (longmenpai 龙门派) der Schule der Complete Perfection (Quanzhen dao 全真道) mit ihrer besonderen Kombination von daoistischer Denkweise mit Lebenspflege und innerer Alchemie hervor.

Seit über eintausend Jahren haben weise Männer, Einsiedler, Mönche, Priester und Heiler in diesem heiligen daoistischen Land gelebt und begeistert vom Erbe dieses Landes ihre Schüler und Anhänger inspiriert (vgl. Porter 1993)*.

Meister Li Jiacheng

Heute ist Meister Li Jiacheng (佳诚), ein Daoist der Drachentorlinie in der 22. Generation, eine der herausragenden Persönlichkeiten und Schlüsselfiguren. Seit seiner Kindheit erhielt er daoistische Unterweisungen und heute findet er sich zunehmend im Zentrum der Aufmerksamkeit öffentlichen Interesses, besonders auch durch seine Verbreitung der esoterischen Praktiken des Jindan Dao 金丹道 (Weg des Goldenen Elixiers).

Meister Li ist Abt eines kleinen, jedoch sehr alten Tempels, der „Palast des Friedens und des Glückes“ (Anlegong 安乐宫) genannt wird. Seine Arbeit konzentriert sich auf Selbst-Kultivierung, daoistische Medizin (insbesondere auf Qigong-Behandlungen) und Meditation. Er erschafft eine neue Dimension der heutigen daoistischen Praxis.

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Daoist Cultivation in the Zhongnan Mountains

Published in Journal of Daoist Studies, Volume 6, 2013

GERHARD MILBRAT & KNUT GOLLENBECK

The Zhongnan mountains 鍾南山, southwest of Xi’an, are a major center of Daoism. Not only do they contain the place where Laozi transmitted the Daode jing, but the area also brought forth the Longmen lineage 龍門派 of the school of Complete Perfection (Quanzhen dao 全真道) with  its particular combination of Daoist thought, ways of nourishing life, and internal alchemy. For over a thousand years, wise men, hermits, monks, priests and  healers have lived in this Daoist holy land, inspired by its heritage and inspiring their followers.

Master Li Jiacheng

Master Li Jiacheng  李佳诚, a 22nd generation Longmen Daoist, is one of the key figures there today. Receiving  Daoist instruction from childhood, he finds himself increasingly in the public eye, especially in his spread of  the esoteric practices of Jin Dan Dao 金丹道(Golden Elixir Daoism). The abbot of a small yet ancient temple called Anle gong 安樂宮 (Palace of Peace and Happiness), his work centers on self‐cultivation, Daoist medicine, especially qigong treatments, and meditation. He is creating a new dimension of Daoist practice today.

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Die verlorene Mitte

Mechanismen und Prinzipien der Unbalance und Wege zu neuer Harmonie

Unsere „Bauch rein – Brust raus“ Mentalität, mit ihren körperlichen, geistigen, emotionalen und energetischen Mechanismen trennt uns von unserer Mitte, unserem körperlichen und energetischen Schwerpunkt im Unterbauch. Wie der Hochseil-Artist aus seiner Mitte heraus Balance auf dem Seil halten kann, schaffen wir es ebenso nur aus unserem Zentrum heraus wirklich Balance, Gleichgewicht im Leben zu halten. Das Zentrum unserer Kraft befindet sich im Unterbauch. Schon unser Bauchnabel zeugt von der zentralen Bedeutung unseres Bauches. In dem Buch „Hara, die Erdmitte des Menschen“ beschreibt Karlfried Graf Dürckheim die vielfältigen Aspekte unseres Zentrums im Bauch. Seit der Zeit Dürckheims hat sich an der „Bauch rein – Brust raus“ Mentalität nichts verändert. Im Gegenteil, immer offensichtlicher erkennen wir ein auf allen Ebenen des menschlichen Seins fehlendes Gleichgewicht. Zwar leben wir in Zeiten, wo tiefgreifende Veränderungen, Wandel in vielen Bereichen ablaufen, aber das hat es im Laufe der Menschheitsgeschichte schon immer gegeben. Der Mensch konnte sich mit seiner Fähigkeit des Ausgleichens immer wieder den veränderten Bedingungen anpassen. In der modernen, materialistischen und technologischen Zeit scheint es, als habe der Mensch die Fähigkeit des Ausgleichens verloren. So wechselt er von einem ins andere Extrem, fühlt sich von allem getrennt und erkennt nicht, dass er mit allem vernetzt ist und in Wechselwirkung steht. Dabei zeichnet sich längst ein ganzheitliches Weltbild ab. Neueste wissenschaftliche Erkenntnisse belegen, dass das vorherrschende materialistische Weltbild nicht stimmig ist.
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Stock und Speer, wie Donner und Blitz

Eine der ältesten Taiji Formen überhaupt ist die Stock/Speer Form (Chen shi taiji li hua qiang jia bai yuan gun) der Chen Familie und geht bis auf Chen Wangting zurück. Gu Liuxin verweist in seinem Buch „The Origin, Evolution and Development of Shadow Boxing“ auf den Kampfkunstmeister Tang Hao (1897-1959), der durch seine Forschungen über die Ursprünge des Taiji Quan folgerte, das Chen Wangting beim Ausarbeiten der Stock/Speer Form stark von den Schriften des Ming Generals Qi Jiguang (1528-1587) beeinflusst wurde. Qi Jiguang, der selbst ein herausragender Speerkämpfer war, favorisierte die Speer-Techniken der 24er Speerform der Yang Familie (nicht zu verwechseln mit der Yang Familie, welche das Yang Taiji Quan verbreitete) und integrierte diese in seine Schrift über militärisches Training. Chen Wangting folgte beim Kreieren der originalen Version der Stock/Speer Form dem Schema der 24er Yang Speer Form, übernahm Techniken, Stellungen und die Namen der einzelnen Bewegungen. Zudem integrierte er die Taiji Prinzipien und die Stock/Speer Form wuchs nach und nach von 24 auf bis zu 72 Bewegungen, die in ihren Anwendungen immer wieder zwischen Stock- und Speer-Techniken wechseln.
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Taijiquan und traditionelle chinesische Medizin

Bei uns richtig bekannt geworden ist das Tai Ji Quan (TJQ) als eine der Gesundheit und Lebenspflege dienliche Übungsmethode, mit der wir die Voraussetzungen für ein gesundes und vitales Leben schaffen können. Weltweit widmen sich mittlerweile Millionen von Menschen dem TJQ aus den unterschiedlichsten gesundheitlichen Hintergründen heraus. Die Palette der Erkrankungen und Störungen, bei denen TJQ hilfreich ist, reicht von Erkrankungen des Halte-Stützapparates über Herz-Kreislauferkrankungen, Erkrankungen der Atmungsorgane bis Verdauungsstörungen, Immunschwäche und streßbezogenen Störungen. Mit guten Ergebnissen wird TJQ in Rehabilitationskliniken eingesetzt. Bücher können gefüllt werden mit Verlaufsberichten, Fallbeispielen und Erfahrungsberichten. Immer mehr wird TJQ und dessen medizinische Wirkungen wissenschaftlich ausgelotet und das ist auch gut so. Für den TJQ-Lernenden bietet es sich geradezu an, sich die Medizin der Chinesen etwas genauer anzuschauen.
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Warum Vögel nicht von der Stange fallen

Die Bedeutung der Hüften für Gleichgewicht und Gesundheit

Wir Taiji Quan Praktizierenden leben doch in einer spannenden Zeit. Einerseits kommt immer mehr Know How über Taiji Quan in unser Land, zum anderen gibt es Erkenntnisse und Theorien, die auch fürs Taiji Quan interessant sind, seitens moderner Wissenschaft. Da wird um das Bauchhirn diskutiert, da man auf den Darmwänden mehr Nervenverbindungen als im gesamten Rückenmark festgestellt hat. Die Biophotonenforschung von Prof. Popp beleuchtet die Lebensenergie. Der US-Physiologe Guang-Yue vom Lerner Research Institut Cleveland hat nachgewiesen, dass Muskeln sich allein mit der Kraft des Geistes kräftigen lassen. Bei einem Test mussten sich mehrere Probanden in Gedanken regelmäßig darauf konzentrieren, wie es wäre, wenn sie bestimmte Muskelpartien ihres Körpers trainieren. Nach einer Woche hatte die Masse der lediglich meditativ bewegten Muskeln um bis zu 15% zugenommen. Die motorischen Neuronen in unseren Nerven, welche die Muskelbewegungen auslösen, lassen sich durch starke Impulse vom Gehirn stimulieren. Ornithologen entdeckten ein zweites Gleichgewichtszentrum bei Vögeln, welches in den Hüften lokalisiert wurde und letztlich den Vögeln helfen soll, „nicht von der Stange zu fallen“.
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Taijiquan und Qigong als Beitrag zu ganzheitlicher Erziehung

Eine beispielhafte Entwicklung

Während man selbst in Taijiquan-Hochburgen wie Hamburg noch LehrerInnen antrifft, die so gut wie nichts von den chinesischen Bewegungskünsten wissen, gibt es andere Orte, an denen diese bereits erfolgreich Einzug in die Schulen halten. Gerhard Milbrat, der in Lüdinghausen eine Schule für chinesische Heil- und Bewegungskunst leitet, berichtet von der zunehmenden Offenheit gegenüber ganzheitlichen Bewegungskonzepten, die auch durch neue Rahmenvorgaben für den Schulsport gefördert wird. Er und seine MitarbeiterInnen arbeiten mit verschiedenen Schulen zusammen und vermitteln dort vor allem im Rahmen des Sportunterrichts und von Projektwochen Elemente aus Taijiquan, Gongfu, Qigong und Tuina, aber auch aus der angewandten Kinesologie und der Edu-Kinesthetik. Der Ansatz ist pragmatisch, er soll den Kindern und Jugendlichen alltagstaugliche Kompetenzen vermitteln. Ein klares Regelwerk wie in den traditionellen Kampfkünsten erweist sich dabei als hilfreich.
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Zhan Zhuang

Zhan Zhuang

Der Weg der Stehenden Säule

Stehen wie ein Baum, den Ball halten oder die Stehende Säule sind Benennungen einer Übung aus dem System des Zhan Zhuang, die schamanistischen und magischen Ursprungs zu sein scheint. Der Ursprung dieser Qi Gong-Methode liegt weit zurück in der Geschichte Chinas. Es gibt Hinweise auf diese Stehmeditation im Dao De Jing (dem grundlegenden daoistischen Werk, welches Laozi (ca. 600 v. Chr.) zugeschrieben wird). Laut Dao De Jing heisst es: „Alleine stehst du, unwandelbar und nimmst alle Geheimnisse wahr, gegenwärtig in jedem Augenblick und im unendlichen Fließen: Dies ist das Tor zu unbeschreiblichen Wundern“, im Buch des Gelben Kaisers (ca. 200-100 v. Chr.), dem Huangdineijing heisst es im Gespräch des Kaisers mit seinem Leibarzt: „Ich habe gehört, dass in alten Zeiten es geistige Wesen gegeben hat; sie standen zwischen Himmel und Erde und verbanden das Universum; sie verstanden das Yin + Yang und lenkten die Prinzipien der Natur; sie atmeten den Stoff des Lebens; sie versenkten sich bewegungslos in den Geist des Lebens und Sehnen und Fleisch waren eins“.
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Faszination Schwert

Das Schwert – die Waffe des Altertums

Das Schwert symbolisiert Stärke und Geschicklichkeit, Macht und Hoheit, Gerechtigkeit und Herrschaft. In fast jedem Reich war es das Zeichen der Staatsgewalt und hoher Ämter. Ein Schwert zu tragen war ein Privileg, das man sich oft erst verdienen musste. Keine andere Waffe wurde je zu klareren Zielen entworfen. Dies ist die Waffe des Altertums, die einzig und allein gegen Menschen entwickelt wurde und nicht von Jagdwaffen abstammt.

Viele Geschichten und Legenden sind überliefert über diese Waffe, die auch so manchen von uns fasziniert. Ebenso viele Geschichten und Legenden ranken um die Herstellung dieser königlichen Waffe. Bis in die Bereiche des Mystischen geht das geheimnisumwitterte Schmieden dieser Waffe, die auch in Europa ihre Fechtschulen, Duelle und Legenden hat.
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Reise in die Stille

(01.10.2003 – 20.10.2003)

Taiji Quan Intensive im Land der Morgenstille

Sechs Personen hatten sich zur ersten Reise der WCTAG nach Südkorea ins „Land der Morgenstille“ aufgemacht. In Seoul gelandet, wurden wir von Gerhard herzlich in Empfang genommen, der mit den Mitarbeitern des Balgunvit Meditation Centers (WCTAK) für einen guten Transfer ins Hotel sorgte.

Drei aus der Gruppe waren schon acht Tage vorher losgeflogen. Sie hatten Gelegenheit, in Daegu  Dr. Park, Gerhards Lehrer in traditioneller chinesischer Medizin, zu treffen und unter seiner kundigen Führung über die Medizinstrasse zu bummeln und ein Museum für traditionelle Medizin zu besuchen.
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